Vorderrad oder Hinterrad PDF Drucken E-Mail

Die Frage, ob der Motor besser im Vorderrad oder im Hinterrad eingebaut werden kann, kann von Details abhängen, die, ohne das umzubauende Fahrrad, und insb. auch seinen Einsatzzweck im Detail zu kennen, nicht entschieden werden kann.

 

Plädoyer für einen Vorderradmotor

Vorweg: Unsere Standard-Vorderradmotoren passen in Gabeln mit 100mm Weite zwischen den Ausfallenden (das sind fast alle Gabeln). Für Falträder mit schmäleren Gabeln finden Sie Hinweise weiter unten auf dieser Seite.

Die Achsen aller unserer Motoren sind auf 10mm abgeflacht und passen somit auch meist in die Gabel, falls nicht, kann praktisch immer (vorsichtig) auf 10mm aufgefeilt werden (Schnellspanner benötigen etwas weniger als 10mm).

Die beim ersten hinschauen auf die Frage "Vorderrad ja oder nein" sich aufdrängende Analogie zum Motorrad, wo der Motor immer das Hinterrad antreibt, ist beim näheren Hinschauen für ein Fahrrad nicht gültig. Grund dafür ist die im Vergleich zum Motorrad sehr geringe Leistung des Fahrradmotors, sowie die andere Art der Kraftübertragung (Ein Kraftschluss zwischen Motor und Vorderrad ist beim Motorrad extrem kompliziert).

Es ist vielmehr so, dass ein Elektrofahrrad ja eigentlich ein Elektro-Muskel-Hybrid ist, da sich die Vortriebsleistung ja aus der des Motors und der Muskelkraft zusammensetzt. Damit ist das Elektrofahrrad unter allen Fahrzeugen das einzige Fahrzeug, für das sich die Möglichkeit ergibt, einen Allradantrieb zu verwirklichen, indem im Vorderrad der Elektromotor zieht, während das Hinterrad mit Muskelkraft anschiebt. Diese Art des Antriebes, ist insb. im rauen Alltagseinsatz der eines reinen Hinterradantriebes (gut vergleichbar mit den Vorzügen eines Allradantriebes beim Auto), in den meisten Situationen spürbar überlegen.

Als weiterer Vorteil ergibt sich die Möglichkeit, die Schaltung völlig unangetastet zu lassen.

Auch die bessere Gewichtsverteilung (ia sitzt ja der Akku im hinteren Teil des Fahrrades) ist ein Vorteil des Vorderradantriebes.

Schliesslich hat auch die Vereinfachung der Drehmomentabstützung beim Vorderradmotor, durch verbesserte Zahnscheiben, hier zu einer Verlagerung der Vorteile geführt - heute kann ein Vorderradmotor in die meisten Gabeln auch ohne fummelige Nacharbeit eingebaut werden - wer ganz sicher gehen will, kann darüber hinaus mit unseren Motoren auch starke externe Drehmomentabstützungen weiter verwenden.

Alle Vorderradmotoren sind so eingespeicht, dass es möglichst keine Konflikte zwischen Speichen und Bremssattel gibt (alle Speichenköpfe sind aussen, dh alle Speichen kommen "von innen").

 

Plädoyer für einen Hinterradmotor 

Ein Hinterradmotor empfiehlt sich zumindest immer dann, wenn der Motor so schwer ist, dass das Lenken und die Manipulation des Lenkers durch den (schweren) Motor erheblich beeinträchtigt ist. Dazu kommen Probleme mit dem Anheben des Vorderrades, zb zum Einladen in ein anderes Fahrzeug etc.

Etwas verkürzt kann man sagen: leichte 250W Getriebemotoren (Pedelec) gehören eher ins Vorderrad, schwere starke Motoren gehören eher ins Hinterrad.

Aber auch der reduzierte Kabelverhau gehört zu dem Vorzügen einen HR-Motors - immerhin kann das Motorkabel um fast einen Meter kürzer sein.

Weitere Vorteile:

  • Lenker bleibt leicht und leichtgängig
  • Nabendynamo im Vorderrad kann uU erhalten werden
  • Ausbau des Vorderrades leichter (zb zum Einladen ins Auto)
  • Anheben des Vorderrades leichter (zb zum Einladen in einen Zug)
  • Motor ist unauffälliger (kann sich positiv im Sinn von Diebstahl- und Vandalismus-Schutz auswirken)
  • Der Wirkungsgrad ist durch das meist kürzere Kabel etwas höher

Und wie ist das mit dem Zahnkranz?

Grundsätzlich kann es eine gute Idee sein, den bisher verwendeten Zahnkranz weiterzuverwenden, da er optimal auf die Kette eingeschliffen ist und (hoffentlich) durch die verwendete Schaltung exakt geschalten wird. Ist allerdings Kette und/oder Zahnkranz in einem schlechten Zustand, kann es sich lohnen, das ganze System auf einmal, qualitätserhöhend zu tauschen, dh:

  • Motor mit Cassetten-Adapter
  • passende neue Steck-Cassette dazu
  • passende neue Kette dazu

Wir bieten mittlerweile HR Motoren wahlweise mit Schraubkranz- und Cassetten-Adapter (nur Getriebemotoren) an.

Wird also der alte Kranz nicht weiterverwendet, sollte zumindest versucht werden, die Anzahl der Ritzel beizubehalten: also 6,7,8 oder 9-fach, da in diesem Fall die Indexierung der Schaltung weiterhin passt und der Schalthebel nicht ausgetauscht werden muss. Beim Wechsel der Kranzzahl muss ein indexierter Schalthebel (es gibt fast nur noch solche) getauscht werden, wenn man weiterhin exakt schalten können will, da sonst der Ritzelabstand nicht passt.

Zum Abziehen eines Schraubkranzes brauchen Sie, je nach System, einen sog. "Schraubkranzabzieher", oder "Cassetten-Abzieher", von dem es verschiedene Versionen gibt. Wir haben solche Abzieher im Angebot, die mit Motorachsen bis 14mm umgehen können (dh die Achse passt durch), was bei einem "normalen" Abzieher oft nicht der Fall ist. Das Aufbohren der Abzieher ist problematisch, da diese gehärtet sind.

Das Abziehen eines Kranzes erfolgt am besten durch Einspannen des Abziehers im Schraubstock (am 6-kant) - siehe auch Technik/Fehler-Analyse - dann wird das Laufrad aufgesetzt und im Gegenzeigersinn beherzt aufgedreht (und dann beim Schraubkranz mit Schwung auslaufen lassen).

Vor der Montage eines neues Schraubkranzes sollte sichergestellt werden, dass der bewegliche Teil des Schraubkranzes nicht am Motordeckel hängen bleibt, da sonst der Freilauf nicht funkioniert! (Cassetten können dieses Problem nicht haben). Der Freilauf muss nach dem vorsichtigen draufschrauben sich gut und frei drehen können. Tut er das nicht, muss eine Distanzscheibe (35mm Innendurchmesser, 1-2.5mm stark) vor dem Schraubkranz aufgebracht werden. Die Scheibe sollte nur dann montiert werden, wenn der Freilauf ansonsten klemmt, da durch die Scheibe der Motor um 1-2.5mm breiter wird, dh die Einbauweite steigt, und damit die möglichen Probleme beim Einbau.

Bei der Montage einer Cassette gibt es diese Probleme wie gesagt, prinzipbedingt nicht (Freilauf ist am Motordeckel, nicht im Ritzelpaket) - allerdings entfällt hier auch die Flexibilität, die Ritzel durch Unterlegscheiben ein paar mm axial zu verschieben, da sie in einer fixen Position am Freilaufkörper montiert werden müssen. 

 

Zur Einbauweite (englisch Over-Locknut-Dimension = "O.L.D")

Die Standard-Einbauweite der meisten Fahrräder beträgt hinten 135mm. Es gibt Abweichungen, zb Dahon baut tw auch 130mm. Der Motor sollte also samt Schraubkranz diese Weite möglichst nicht überschreiten. Da der Motor gleichzeitig das maximal mögliche Volumen der Nabe ausfüllen sollte, um möglichst drehmomentstark zu sein, muss mit der Einbauweite, je nach Schraubkranz ein bisschen variiert werden.

Wir haben das so gelöst: Bei der Schraubkranz-Version befinden sich auf der Achse 2 Stk 5mm Distanzrohre. Diese dienen zur Feinjustierung des Laufrades zwischen den Ausfallenden:

Wenn Sie den Motor mit 7-fach Schraubkranz fahren, sollte links und rechts je ein Rohrstück angebracht werden, in diesem Fall ist links auch fast immer genug Platz für eine Scheibenbremse. Allerdings muss das Laufrad evt etwas nach links verzogen werden (siehe Technik/Zentrier-Crashkurs) da es standardmässig auf 9er Kranz zentriert ist. Durch Weglassen des Rohstückes links kann die Einbauweite um ca 5mm verkleinert werden, dh der Motor hat dann nur mehr eine Weite von ca 130mm - kann zb beim Einbau in Falträder Vorteile bieten!

Wenn Sie den Motor mit 9er Schraubkranz fahren, sollten beide Rohrstücke rechts verwendet werden, links ist dann manchmal nicht genug Platz für eine Scheibenbremse, dh die kollidiert evt mit Bremssattel oder hinterer Gabel. Im Gegenzug bleibt die Breite allerdings bei nur 135mm. Wenn Sie 9-fach fahren und einen Scheibe verwenden wollen, müssen Sie probieren, und evt links ein paar Scheiben unterlegen. Die Einbauweite steigt dabei allerdings auch etwas an.

Bei einem 8er Kranz liegt die Lösung dazwischen, tendenziell aber Richtung 9er.

Breiten der Schraubkränze (ca, über alles):

  • 6fach 33mm
  • 7fach 37mm
  • 8fach 40mm
  • 9fach 41mm

zwischen 7fach und 8fach ist also ein erheblicher Sprung - 9fach ist dann fast nicht mehr breiter, das heisst aber andererseits, dass beim 9fach Kranz der Ritzelabstand wesentlich geringer ist als beim 8fach Kranz. Dh ein 9er Kranz muss exakter geschaltet werden, um sich beim Schalten "weich" anzufühlen. Dies wiederum ist der Grund, warum es mit 9fach Kränzen mehr Beschwerden gibt, dass sich das Schalten "nicht perfekt" anfühlt, wenn ein neuer 9er Kranz mit einer bereits eingeschliffenen Kette verwendet wird.

Wenn es sich also machen lässt, kann es eine gute Idee sein, bei Schraubkränzen von 9fach auf 8fach Kranz zurückzusteigen, selbst wenn in diesem Fall der Schalthebel ausgewechselt werden muss. Diese Entscheidung ist aber nicht leicht zu fällen, denn die Beurteilung, "ob sich das Schalten weich anfühlt", ist eine sehr individuelle.

Bei Cassetten-Systemen bringt ein Rückstieg von 9fach auf 8fach (oder noch weniger) keinen Gewinn in der Einbauweite. Dazu sind hier auch 9fach Cassetten in sehr guter Qualität erhältlich. Wir empfehlen daher hier einen Rückstieg nicht.

 

Spezielle Überlegungen zu Falträdern

Falträder weichen leider oft in erheblichen Details von allgemeinen Standards ab. das betrifft ua:

die Einbauweite: für die oft bei Falträdern üblichen 75-80mm bieten wir speziell schmale Faltrad-Motoren mit ca 82mm Weite an. Diese Motoren haben (nahezu) dasselbe stabile Innenleben wie unsere Standardmotoren und können mit denselben Controllern (14A) und Akkus gefahren werden. Um sie in Gabeln von weniger als 80mm Weite einbauen zu können (zb Brompton), muss die Gabel in Eigenverantwortung ausnahmsweise etwas aufgebogen werden. Da solche Gabeln immer aus Stahl sind, ist das einigermassen risikoarm.

Vom Kauf noch schmälerer Motoren für Falträder können wir nur abraten: diese sind entweder schmal gebaute Directdrives, dh extrem schwer (was dem Faltrad-Konzept widerspricht), oder so filigran, dass sie im rauen Alltagsbetrieb nach kurzer Zeit defekt sind.

Anzahl der Speichen: statt der sonst üblichen 36 Speichen gibts hier auch 20, 24, 28, 32 Speichen, vor allem im Vorderrad. Eine Motor-Integration mit dre Original-Felge ist sehr schwierig, da alle Motornaben auf 36-Loch gebohrt sind. Dh es sollte mit dem Motor auch gleich die Felge gewechselt werden.

Grösse der Felge: Statt der sonst üblichen 16" und 18" werden hier, sowohl im Vorderrad als auch im Hinterrad, gern sogenannte 17" verwendet (zb Brompton), die nur um 6mm kleiner sind als 18" Standard-Felgen. Wir können auf Bestellung diese Felgen (in 32- und 36-Loch Version) liefern und auch einspeichen, aber der Aufwand ist relativ hoch. Evt ist es einen Versuch wert, mit Standard-18" Felgen zu arbeiten (unsere Motoren kommen normalerweise bereits voreingespeicht in sochen Felgen). Die 3mm Unterschied im Radius sind relativ gering. Der Einbau von echten 16" Felgen (statt 17" Felgen) macht mehr Probleme (Unterschied im Radius 15mm). Siehe auch Technik/Felgen.

 

Spezielle Überlegungen zu Lastenfahrrädern (und anderen schweren Fahrrädern)

Lastenfahrräder sind insofern ein Spezialfall, als die Überlegungen zu Gewichtsverteilung etc (siehe oben) hier nur bedingt gelten: Das Rad ist meist schon selbst so schwer, dass es ohnehin nicht oder kaum getragen werden kann etc. Daher ist hier insb auch der Einbau eines schweren Directdrive-Motors vorne vorstellbar - falls die Qualität der Gabel dies empfehlenswert scheinen lässt.